Röhl, John C. G. Wilhelm II. (3406482295)
Wilhelm II. war in seiner persönlichen Machtfülle - die bislang von den Historikern
verkannt wurde - für Deutschland und Europa in fataler Weise geschichtsmächtig.
John Röhl beschreibt, wie Wilhelm bereits unmittelbar nach der Thronbesteigung
seine von jeder Sachkenntnis ungetrübte Außenpolitik aufnahm, deren Leitlinie allein
der narzißtische Charakter des jungen Herrschers war. So wird nachvollziehbar, daß
der Konflikt mit dem Großmeister des feinen diplomatischen Kalküls, Otto von
Bismarck, nicht ausbleiben konnte. Die Darstellung der Eskalation im Verhältnis der
beiden zueinander und die Eruption in Form der Entlassung des 'Eisernen Kanzlers'
bilden zwei der vielen darstellerischen Höhepunkte dieses Werkes.
Das Regierungskonzept Wilhelms bestand darin, die fähigen, charakterstarken
Persönlichkeiten aus seinem Umfeld zu entfernen und durch schwache, möglichst
ihm ganz und gar kritiklos gegenüberstehende Männer zu ersetzen - die
unheilvollste Rolle sollte fortan sein Intimus Philipp Eulenburg spielen. Wilhelm aber
fühlte sich als von Gott mit seinem hohen Amt belehnt und wähnte sich daher
berufen, in allem allein zu herrschen und zu befehlen. John Röhl zeigt in
eindrucksvoller Klarheit, wie diese maßlose, nachgerade pathologische
Selbstüberschätzung vom ersten Jahr seiner Herrschaft an zu massiven Irritationen
in seiner Umgebung führte und auch das Grundthema seines Wirkens auf dem
besonders sensiblen Feld der Außenpolitik bildete.
Mit welch fataler Zielstrebigkeit der letzte deutsche Kaiser seinen Weg verfolgte, und
wie er in Uniformbesessenheit, Flottenwahn und Militarismus Deutschland letztlich in
die Katastrophe des Ersten Weltkriegs steuern sollte, wird in diesem Buch wie in
keinem anderen deutlich.